Projekt

Die Wissensdomäne Tier – Mensch – Maschine befasst sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Menschen auf seiner ontologisch vorgefassten Position zwischen Tier und Maschine, die durch kulturelle Praktiken zunehmend problematisiert und hinterfragt wird. Will der Mensch kein Tier (mehr) sein, verschmilzt er auf der anderen Seite durch Cyborgisierung (vgl. Adam/Gelai/Knifka 2016) mit der von ihm entwickelten digitalen Technik. Aber beide – aus menschlicher Perspektive – Vertreter der Randpositionen sind schon immer angstbesetzt und faszinierend gewesen. Vor allem die nicht zu bändigende physische und kognitive Überlegenheit von Tieren und Maschinen galt es zu unterdrücken oder zu verhindern. Davon legen Anfang des 17. Jahrhunderts Berichte der ersten Begegnungen von Europäern mit Menschenaffen (vgl. Haikal 2016) ebenso Zeugnis ab, wie die nicht aus der Mode kommenden Fiktionen von machtvollen Maschinen in futuristischen Filmen, etwa in „Metropolis“ oder „Terminator“. Auch in literarischen Texten spielt das Motivfeld der Puppen, Automaten und Maschinenmenschen immer wieder eine zentrale Rolle, wenn anthropologische Fragen nach Identität und Selbstbestimmung zur Disposition stehen (vgl. Gendolla 1992). Tiere und Maschinen verkörpern die evolutionäre Vergangenheit und Zukunft des Menschen, die dabei immer ununter­scheidbarer werden.

 

Im Zentrum dieser positionalen Angleichungen und damit im Fokus der Wissensdomäne stehen kommunikative Akte. Diese sind einerseits Verständigungsmittel zwischen den unterschiedlichen Entitäten. Andererseits sind sie in Form von Filmen oder Literatur auch Spiegelungen dieser vielfältigen Verflechtungen. Dort wird, wie die Cultural Literary Animal Studies betonen, ausgehandelt, was jeweils unter bestimmten Voraussetzungen als Mensch oder als Tier zu verstehen ist (vgl. Borgards 2016). Gleiches gilt für den Zusammenhang von Mensch und Maschine. Stabile Ontologien werden hinterfragt und durch variierende soziale Positionierungen ersetzt. Daher begreift sich diese Wissensdomäne explizit auch als eine übergreifende Forschungsplattform von Linguistik und Literatur­wissenschaft (siehe zur Literaturlinguistik: Bär/Mende/Steen 2015).

 

Die (verbalsprachliche) Kommunikation mit nichtmenschlichen Entitäten, die weder Sprachfähigkeit noch (Selbst)Bewusstsein besitzen, wird in der Regel als sinnhaftes soziales Handeln in Frage gestellt, weil es die „Grenzen der Sozialwelt“ (Luckmann 1980) überschreitet. Tiere und Maschinen gehören nicht zur eigenen Sozietät, weshalb ihnen der Akteurstatus oder die Fähigkeit, eine Identität zu besitzen, wissenschaftlich abgesprochen wird. Dabei ist diese Sicht, wie Descola in seinem Werk „Jenseits von Natur und Kultur“ (2013) an indigenen Ethnien nachweist, nicht universal, sondern kulturbedingt. Was hier als (unzulässiger) Anthropomorphismus und Animismus betrachtet wird, gilt woanders als angemessene Verhaltens- und Vermittlungsform. Die westliche Kultur stand diesbezüglich lange Zeit unter dem Einfluss von Descartes’ Substanzdualismus, der Tiere und Maschinen auf eine folgenschwere Weise miteinander verband und vom Menschen abgrenzte: „Und ich hatte mich an dieser Stelle besonders aufgehalten, um deutlich zu machen, dass, wenn es solche Maschinen gäbe, die die Organe und die äußere Gestalt eines Affen oder irgendeines anderen vernunftlosen Tieres hätten, wir kein Mittel besäßen, um zu erkennen, dass sie nicht in allem die gleiche Natur wie die Tiere aufwiesen.“ (Descartes 2015/1637:57). Mit dieser Vorstellung vom Tier als seelenlosen Automaten „formuliert Descartes eine Theorie der anthropologischen Differenz […], die für den menschlichen Umgang mit den Tieren pragmatisch wirksam geworden […], zugleich aber auch zur diskursiven Voraussetzung für die frühneuzeitliche Politik und Poetik der Tiere avanciert ist“ (Borgards/Kling/Köhring 2015:8). Waren es einst die ersten mechanischen Enten (Jacques de Vaucanson) und künstlichen Schildkröten (William Grey Walter), die die Menschen faszinierten, so sind es heute Insbots – streichholzschachtelgroße Miniaturroboter, die das Sozialverhalten von Kakerlaken imitieren und stimulieren (vgl. Colot/Caprari/Siegwart 2004, Rieger 2015:30). Jedoch weicht die vernunftorientiere Vorstellung Descartes’, die Menschen strikt von Tieren und Maschinen trennte, mehr und mehr einer praxeologischen: Statt Menschen und andere Tiere – seien es lebende oder künstliche – über ihre jeweiligen Fähigkeiten als Identitäten und Nichtidentitäten voneinander abzugrenzen, geht es nun darum, Alteritäten erst erfahrbar zu machen. Für eine gelingende Interaktion mit anderen Lebewesen und Maschinen müssen wir in den meisten lebensweltlichen Kontexten nicht wissen, wie das Bewusstsein des Gegenübers beschaffen ist (vgl. Weber 2014:132). Im Fokus steht also das Wie und Wozu der vielfältigen kommunikativen Beziehungs­gestaltung, deren wissenschaftliche Konzeption jenseits eines mentalis­tischen Weltbildes ansetzt. Was Kimmich über die „lebendigen“ Dinge schreibt, gilt ebenso für Tiere: „Lebendige Dinge sind Boten (aus) einer anderen Weltordnung. Sie verlangen nicht, dass man sie versteht, sondern sie fordern Verständigung und Kooperation.“ (Kimmich 2011:25). Auch Haraway (2016:12) betont die dynamischen Prozesse des gemeinsamen Werdens von Menschen, Cyborgs und Tieren, die aus den Alteritäten Identitäten machen: „Durch ihr Ineinandergreifen, durch ihr „Erfassen“ oder ihren Zugriff konstituieren Wesen einander und sich selbst. Sie existieren nicht vor ihren Verhältnissen und Beziehungen.“

 

 

Allgemeine Projektziele:

Grundsätzlich werden über die Themenverbindung Tier – Mensch – Maschine auch methodologische Verknüpfungen vorgenommen. In dem Projekt sollen, ausgehend von sprachwissenschaftlichen und / oder literaturwissenschaftlichen Ansatzpunkten, analog zu den Cultural Animal Studies sowie den Human-Animal Studies, diese Verknüpfungen als „Kreuzungspunkt der Disziplinen“ (Borgards 2016:3) verstanden werden, die sich mit Tieren (z.B. Ethologie, Tierethik) und Maschinen i.w.S. (Informatik, Medientheorie) beschäftigen. Es gilt dabei, neue Theorien zum Akteurstatus von Tieren und Maschinen auszuloten (z.B. mit der Akteur-Netzwerk-Theorie, vgl. Latour 2015) und bestehende Konzepte der Geisteswissenschaften wie Kommunikation, Empathie, Identität, Authentizität, Agency usw. neu im Hinblick auf das Ineinandergreifen der Alteritäten zu untersuchen. Letztlich geht es darum, nachzuzeichnen, wie eine neue „Weltordnung“, in der Tiere, Menschen und Maschinen nicht anthropozentrisch voneinander getrennt untersucht werden, aussehen könnte. Dabei liegt es nahe, dass sich diese Wissensdomäne eng mit den anderen Domänen verschränkt, da das Verhältnis von Tier – Mensch – Maschine in vielen dort untersuchten kulturellen Kontexten (z.B. Medizin, Recht, Naturwissenschaft und Technik) eine zentrale Rolle spielt.

 

 

Literatur:

 

Adam, Marie-Hélène/Gelai, Szilvia/Knifka, Julia (Hrsg.) (2016): Technisierte Lebenswelt. Über den Prozess der Figuration von Mensch und Technik. Bielefeld: transcript.

 

Bär, Jochen A./Mende, Jana-Katharina/Steen, Pamela (Hrsg.)(2015): Literaturlinguistik. Philologische Brückenschläge. Frankfurt am Main: Peter Lang.

 

Borgards, Roland/Köhring, Esther/Kling, Alexander (2015): Einführung. In: Dies. (Hrsg.): Texte zur Tiertheorie. Stuttgart: Reclam, S. 7-21.

 

Borgards, Roland (2016): Einleitung: Cultural Animal Studies. In: Ders. (Hrsg.): Tiere. Kulturwissenschaftliches Handbuch. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 1-5.

 

Colot, Alexandre/Caprari, gilles/Siegwart, Roland (2004): InsBot. Design of an autonomous mini mobile robot able to interact with cockroaches. In: Proceedings of IEEE International Conference on Robotics and Automation. ICRA 2004. New Orleans, S. 2418-2423.

 

Descartes, René (1637): Bericht über die Methode. In: Borgards, Roland/Köhring, Esther/Kling, Alexander (Hrsg.)(2015): Texte zur Tiertheorie. Stuttgart: Reclam, S. 55-63.

 

Gendolla, Peter (1992): Anatomien der Puppe. Zur Geschichte des MaschinenMenschen bei Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, Villiers de l’Isle-Adam und Hans Bellmer. Heidelberg: Universitätsverlag WINTER.

 

Haikal, Mustafa (2016): Unheimliche Nähe. Menschenaffen als europäische Sensation. Leipzig: Passage-Verlag.

 

Haraway, Donna (2016): Das Manifest für Gefährten. Wenn Spezies sich begegnen – Hunde, Menschen und signifikante Andersartigkeit. Berlin: Merve Verlag.

 

Kimmich, Dorothee (2011): Lebendige Dinge in der Moderne. Konstanz: Konstanz University Press.

 

Latour, Bruno (2015): Das Parlament der Dinge. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

 

Luckmann, Thomas (1980): Über die Grenzen der Sozialwelt. In: Ders.: Lebenswelt und Gesellschaft. Paderborn u.a.: Schöningh, S. 56-92.

 

Rieger, Stefan (2016): Tiere und Medien. In: Borgards, Roland (Hrsg.): Tiere. Kulturwissenschaftliches Handbuch. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 30-37.

 

Weber, Karsten (2014): Ist da jemand? Über unsere Bereitschaft und die (vermeintliche) Unvermeidbarkeit, Maschinen zu vermenschlichen. In: Liebert, Wolf-Andreas/Neuhaus, Stefan/Paulus, Dietrich/Schaffers, Uta (Hrsg.): Künstliche Menschen. Transgressionen zwischen Körper, Kultur und Technik. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 125-143.