Projekt

Wirtschaft ist überall. Dies könnte man als vergröberndes Fazit aus den Erklärungen zum Stichwort »Wirtschaft« in Enzyklopädien ziehen. Die dort vorgenommenen Erklärungsversuche beschreiben Wirtschaft als ein umfassendes Phänomen, das den gesamten menschlichen Lebensraum betrifft: An erster Stelle steht dabei der berufliche und private Alltag der Menschen, darüber hinaus gelten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ihre Bewertung als grundlegend für unsere individuelle und kollektive Selbsteinschätzung und zum dritten streiten in der wirtschaftswissenschaftlichen Wissenschaftsdisziplin die Experten um die besten Lösungswege. Das tun sie mit Hilfe der Sprache, die Ergebnisse ihres Diskurses erfahren wir als Staatsbürger ebenfalls im Medium Sprache. Sowohl der Begriff als auch das Phänomen WIRTSCHAFT entziehen sich nach wie vor einer eindeutigen Definition. Die verschiedenen operationalen Definitionen einigen sich meist auf einen Nenner wie den folgenden: Alle Prozesse, die mit der Produktion, Verteilung und Konsumption von Gütern zu tun haben. Unstrittig ist sicherlich, dass uns Folgen wirtschaftlichen Handelns tagtäglich umgeben.

Das Kommunizieren über WIRTSCHAFT ist somit in der Alltagspraxis wie auch in den Wirtschaftswissenschaften allgegenwärtig. Der Themenbereich Wirtschaft eröffnet eine Vielzahl an Aspekten, wie dem folgenden Begriffsfeld mit zahlreichen ebenso umstrittenen wie relevanten Folgebegriffen zu entnehmen ist: GLOBALISIERUNG, WETTBEWERB, KONKURRENZ(FÄHIGKEIT), PREIS, STEUER, GELD, WERT, ABSATZ, MARKT, ARBEIT, ZINS, ERTRAG, RENDITE, AKTIE, SHAREHOLDER VALUE, STAKEHOLDER VALUE, LOHN, GEHALT, RENTABILITÄT, u.v.a.m. Das weite Feld der wirtschaftsbezogenen Begrifflichkeiten ist wie wenig andere dadurch gekennzeichnet, dass in ihm die durch die Begriffe bezeichneten Sachverhalte allererst durch die sprachlich konstituierten Konzeptualisierungen Realität gewinnen. Die Versprachlichung wirtschaftlicher Sachverhalte, die Kommunikation wird so zum zentralen Mittel der Konstitution des Bereichs Wirtschaft.

Die Relevanz kommunikativer Prozesse, die Relevanz sprachlicher Transparenz, semantischer Begriffsbesetzungen wird in der Gegenwart immer deutlicher. Die interne und externe Unternehmenskommunikation oder die aktuelle Diskussion um die von den börsennotierten Unternehmen anzustrebende und zu vermittelnde gute corporate governance sind dafür nur zwei Beispiele. Längst ist auch in den Unternehmen die Erkenntnis angelangt, dass sich wirtschaftliche Prozesse nicht allein auf Güter, Absatz-, Beschaffungs- und Arbeitsmärkte reduzieren lassen, sondern dass die sprachliche Konstitution und Vermittlung des Gegenstandsbereichs eine der Wirtschaft immanente und unhintergehbare Bedingung ist, ohne die wirtschaftliche Phänomene nicht erfasst werden können. In diesem Projekt des Forschungsnetzwerkes wird es daher in erster Linie darum gehen, zentrale Kommunikationsroutinen des Feldes »Wirtschaft« in seiner aktuellen Ausprägung und in seiner historischen Gewordenheit zu untersuchen, seine Vernetzung, seine weltkonstitutierende Funktion und seine Abhängigkeit von den jeweiligen systembezogenen Deutungsmustern (Wirtschaftssysteme, Wirtschaftspolitik) zu erhellen.